Speculative Ruins - Ruins of Speculation
Ruinenpark Frankfurt New Delphi
Mitten im geografischen, ideologischen und datenverkehrsnetztechnischen Zentrum des Spekulativen Zeitalters gelegen, bietet der Ruinenpark Frankfurt New Delphi einmalige Eindrücke von den Praktiken und Kräften, die hier vor Jahrhunderten am Werk waren. Tauchen Sie ein in die Welt der „Zukünfte“, der „Projektionen“ und der „Krisen“. Erfahren Sie die Kraft der „Bewertung“ und der „Beratung“ und kommen Sie dem Geheimnis jener Tempel auf die Spur, deren Überreste heute in den wild gezackten Horizont ragen.
Das Interesse an statistischen Formeln und Instrumenten, mit denen sich bereits heute ablesen ließ, was morgen passieren könnte, sowie die Art, wie sie einander ununterbrochen Nachrichten zukommen ließen, in denen die Rede von Dingen war, die sich noch gar nicht ereignet hatten, legt die Vermutung nahe, dass die Menschen in der ersten Hälfte des einundzwanzigsten Jahrhunderts vom Nachdenken über die Zukunft beseelt waren. Man kann sogar sagen, dass die Menschen in dieser Epoche ausschließlich in der Zukunft gelebt haben und dass das, was sie für die Gegenwart hielten, letztlich nur noch eine Variante dessen darstellte, was sie erwartete.
Die Überbleibsel der Bauwerke und Kulturgüter, die eben noch im Besitz eines kleinen Teils der Bevölkerung waren, gehörten auf einmal allen. Wie sich anhand übereinstimmender Quellen schließen lässt, übernahm die gemeinnützige „Trümmerverwertungsgesellschaft“ die Zerkleinerung und den Ab- transport der Stadt. Lange Zahlenreihen belegen den großen Erfolg dieser Operation. Unzählige Bewohner*innen Frankfurts beteiligten sich an der Verwertung der Trümmer. Eigens errichtete Bahnlinien türmten das, was vorher Frankfurt war, zu einem 200m hohen Berg auf. Daneben errichtete man eine riesige Fabrik, in der das bauliche Erbe der Stadt zu Staub gemahlen wurde. Das Granulat des zerstörten Frankfurts vermengte man mit Zement und goss daraus die Grundsteine für ein neues Frankfurt.
Dieses „Frankfurter Modell“ gilt als Vorbild für die Errichtung des Frankfurt New Delphi Erlebnis-Ruinenparks.
"Was bislang in der Frankfurter Region nur Dinosauriern und altrömischen Grenzanlagen vorbehalten war: Mit dem Bankenviertel bekommt die Metropole nun endlich ihr eigenes, langersehntes Weltkulturerbe! Bei einem Ortstermin am Willy-Brandt-Platz verführt das Kollektiv PARA sein Publikum mit höchst analogen Mitteln zum "Spekulieren" über die mögliche Gegenwart einer konkret erlebbaren Zukunft. In ihr gehören die hoch aufragenden Finanztempel aus Glas und Stahl einer ebenso ruinösen Vergangenheit an wie Aktienindizes, Kreditderivate und Risikomanagement. Gleich neben der ehemaligen Europäischen Zentralbank errichtet PARA seine museumspädagogische Bauhütte. Unter fachkundiger Anleitung erfolgt zunächst das gemeinschaftliche "Ruinieren". Vor den Augen aller Beteiligten stürzen Bankentürme in sich zusammen und öffnen Raum und Blick für die Schönheit des Verfalls im öffentlichen Raum. Bei der anschließenden Baustellenführung begegnen die Besucher:innen ausgewählten, von üppigem Grün überrankten Ruinen. Sie blicken in jene Zeit zurück, als die Welt mit letzter verfügbarer Ignoranz dem unaufhaltsamen Ende der hochetagigen Finanzmärkte als alternativloser Herrschaftsform huldigte. PARA legt den Grundstein für das Frankfurter Bankenviertel als Kulturerbe-Landschaft der Zukunft und zeigt, welch einfacher Mittel es bedarf, um den globalen Hochfinanzkapitalismus überzeugend und nachhaltig zu überwinden."
Team
Konzept, Performance und künstlerische Leitung: PARA
In Kollaboration mit: Hanna Steinmair, Leon Lechner, Lena Brandt, Anton Steenbock
Fotos: Christian Schuller